Der wertschätzende Umgang miteinander ist, besonders in Konflikt- und Stresssituationen, nicht immer einfach. Wie es dir dennoch gelingen kann, zeige ich dir an einem Beispiel anhand des Modells der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg.
Was heißt es eigentlich, wertschätzend zu sein?
Wertschätzung umfasst mehr als nur „richtig“ miteinander reden. Dazu gehört auch, dass ich anderen gegenüber aufmerksam bin, ihnen meine Unterstützung anbiete (wenn ich das gerade kann und möchte), eine andere Meinung toleriere und vieles mehr.
Es gehört aber auch dazu, nicht immer all das von anderen Menschen zu verlangen. Jeder hat so seine „Schwächen“ oder seine „blinden Flecken“ (z.B. Dinge, die er einfach nicht wahrnimmt und demzufolge natürlich auch keine Hilfe anbieten kann). Wir wissen auch nie, was beim anderen gerade los ist, mit welchen Sorgen und Problemen die Person vielleicht kämpft.
Genauso gehört zur Wertschätzung aber auch, achtsam und nachsichtig mit sich selbst umzugehen. Denn wie wir mit uns selbst umgehen, bestimmt, wie andere mit uns umgehen dürfen und wie wir mit anderen umgehen.
Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg
Ein ganz bekanntes Modell ist die gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg. Diese kannst du im Alltag genauso gut anwenden wie in einer Konfliktsituation.
Du hast nicht direkt Einfluss auf das, was andere Menschen tun. Aber das Gute ist: GFK funktioniert unabhängig von anderen. Das heißt, du kannst wertschätzend bleiben, auch wenn sich dein Gesprächspartner damit wenig Mühe gibt. Er wird es dir wahrscheinlich trotzdem danken. Deine Wertschätzung wird ankommen und in einigen Situationen dafür sorgen, dass sich die Lage etwas entspannt. Wie genau das geht, zeige ich dir jetzt an einem Beispiel.
So bitte nicht!
„Du bist so faul! Nie räumst du die Küche auf! Es ist dir total egal, wie viel Stress du mir damit machst. Räum das sofort weg, sonst…“
Nehmen wir das Ganze doch mal auseinander:
„Du bist…“
Angenommen, es handelt sich hierbei um ein Gespräch mit deinem Partner, geht er bei diesen Worten wahrscheinlich sofort auf Abwehrhaltung. Besonders bei Kritik sollte auf diese Formulierung verzichtet werden. Es handelt sich dabei nicht um eine allgemein gültige Wahrheit, sondern um eine Meinung, die DU von deinem Partner in dem Moment hast. Also sollte es auch genauso ausgedrückt werden: als Ich-Botschaft. Statt „du bist…“ also besser so etwas wie „ich denke…“ (und nein, hier bitte nicht: „Ich denke, du bist faul.“ 😉)
„Nie räumst du die Küche auf!“
Wirklich nie? Wir neigen gerne dazu, Dinge zu verallgemeinern. Besser ist es, wenn du einen genauen Zeitraum deiner Beobachtung benennen kannst.
„Es ist dir total egal…“
Wirklich? Weißt du das genau?
„Räum das sofort weg, sonst…“
Sonst was? Wer mag schon solche Anweisungen, gefolgt von Drohungen? (Hier wird die Gewalt in der Sprache deutlich.)
So ist’s besser:
Die GFK sieht 4 Elemente der wertschätzenden Kommunikation vor:
- A: Beobachtung = Beschreiben konkreter Handlungen (oder Unterlassungen) ohne Bewertungen
- B: Diese Beobachtung löst ein Gefühl aus
- C: Dieses Gefühl steht mit einem Bedürfnis in Verbindung
- D: Aus diesem Bedürfnis entsteht eine Bitte (Keine Forderung! Immer die Wahl lassen.)
Rosenberg fasst die Schritte der GFK in folgendem Satz zusammen:
„Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.“
An unserem Beispiel sieht das dann so aus:
„In den letzten Tagen hast du dein Geschirr nach dem Essen einfach stehenlassen. Und da stand es dann, bis ich alles sauber gemacht und aufgeräumt habe (A). Ich fühle mich gestresst und alleingelassen mit der ganzen Arbeit (B), da ich auch gern die Möglichkeit hätte, mich ein bisschen auszuruhen (C). Wärst du bereit mir beim Aufräumen zu helfen (D)?“
Wichtig: Den Zeitraum so genau wie möglich benennen. So kann dein Gesprächspartner besser nachvollziehen was du meinst.
Wenn dein Partner nicht bereit ist, dir beim Aufräumen zu helfen könntest du Folgendes versuchen: „Wie kannst du mir dann entgegenkommen?“ oder „Was schlägst du stattdessen vor?“ (Hier am besten keine Fragen stellen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Denn sonst ist das Gespräch unter Umständen schnell beendet.)
Dabei nicht vergessen: Der Ton macht die Musik! 😉
Was tun, wenn andere nicht wertschätzend reden?
Die Punkte A-D kannst du genauso gut nutzen, um diese Informationen von deinem Gegenüber zu erfragen. Wenn er dir zum Beispiel vorwirft: „Du bist faul!“, kannst du fragen:
- „Fühlst du dich gestresst?“
- „Möchtest du, dass ich dir helfe?“
- „Möchtest du mal eine Pause machen?“
Probiere es mal aus! In den meisten Fällen sorgt das Verständnis, das du in dem Moment zeigst, für Erleichterung. Du bist wertschätzend, indem du empathisch nachfragst. Vielleicht färbt von deinem Verhalten irgendwann etwas auf andere ab. Wenn nicht, kannst du es gern einmal wertschätzend ansprechen. Andererseits wird durch dieses „Spiegeln“ deinem Gegenüber auch manchmal erst bewusst warum er etwas verlangt oder sich z.B. über etwas so dermaßen ärgert.
Warum fällt es so schwer wertschätzend miteinander zu reden?
Gerade im beruflichen Umfeld sind wir meist unter Druck und haben es eilig. In Konfliktsituationen sind wir oft von Gefühlen überwältigt, die es uns schwer machen, in Ruhe nachzudenken. Dann handeln und sprechen wir aus einem Impuls heraus. Manchmal wissen wir vielleicht auch einfach nicht, dass wir uns gar nicht wertschätzend verhalten. Oder wir wissen nicht, wie wir uns klar und empathisch ausdrücken sollen.
Was du in solchen Situationen tun kannst:
- Sobald du merkst, dass du reagieren möchtest: still bleiben und tief durchatmen (Stopp! denken)
- Empathie: versetz dich in die Lage deines Gesprächspartners: Wie würde es dir wohl gehen, wenn du in dieser Situation wärst und du die Worte verdauen müsstest, die gerade aus dir herausplatzen wollten?
- Selbstempathie: Welches Bedürfnis von DIR verbirgt sich eigentlich hinter dieser Gesprächssituation?
Übung macht den Meister
Bis GFK einigermaßen sicher angewendet werden kann, ist relativ viel Übung erforderlich. Es ist manchmal nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Zu Beginn reicht es wahrscheinlich, wenn du dir konkrete Situationen vornimmst, die immer wieder vorkommen (wie z.B. der Partner, der den Abwasch nicht macht) und dir dafür deine Sätze schon zurechtlegst. Warte nicht so lange, bis du vor Wut überschäumst, sonst erinnerst du dich vielleicht nicht mehr an deine Sätze 😉
Oder aber du rufst dir jeden Abend einige Situationen des Tages ins Gedächtnis (oder notierst sie während des Tages) und formulierst für dich (am besten schriftlich), was du hättest anders sagen können, damit es dem oben genannten Schema entspricht.
Um wertschätzend zu sein, ist es übrigens nicht erforderlich immer alle Elemente der GFK unterzubringen. Aber für Kritik lohnt es sich auf jeden Fall!
Zusammenfassend kannst du dir merken:
- Bedürfnisse hinterfragen
- ehrlich und klar ausdrücken
- empathisch zuhören
- ICH-Botschaften senden
- bitten statt fordern
Seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen wertschätzend zu kommunizieren ist ein wichtiger Teil des empathischen Abgrenzens. Was das genau ist, kannst du hier nachlesen.
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Hi, ich bin Anett. Ich unterstütze vor allem introvertierte, sensible und empathische Menschen dabei, sich von Druck und Erwartungen anderer zu befreien, Konflikte wertschätzend zu lösen und Stress zu reduzieren. Hinter den Kulissen immer an meiner Seite: meine 2 Hündinnen aus dem Tierschutz – Sina und Suri.
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Liebe Anett,
vielen Dank für deine sehr gelungene und kurzweilige Zusammenfassung der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg.
Ich finde du hast alle wichtigen Aspekte genannt und anhand des von dir gewählten Beispiels lässt sich schon einmal gut nachvollziehen, wie sich die GFK im Alltag umsetzen lässt.
Aus Erfahrung weis ich, wie du auch schon geschrieben hast, dass es viel Übung braucht und vor allem auch Achtsamkeit für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Gerade deshalb finde ich den Tipp von dir mit dem Stopp so wichtig. Den könntest du noch mehr herausstellen.
Für mich ist der erste Schritt in der GFK Innehalten und durchatmen. Vor allem wenn ich gestresst oder genervt bin, ist das wichtig, um wieder in Kontakt zu mir zu kommen und dann ändert sich auch etwas in meiner Haltung. Und wenn die stimmt, dann sind auch die vier Schritte gar nicht mehr unbedingt erforderlich.
Ich habe selbst einen sehr umfangreichen Artikel zur Wertschätzenden Kommunikation geschrieben und gehe dabei auch auf die Grundannahmen, die Besonderheiten der einzelnen Schritte und wichtige Grundsätze, damit ihre Umsetzung gelingt, ein.
Er ist bestimmt eine gute Ergänzung zu deinem Artikel
https://michael-taube.com/wertschaetzende-kommunikation/
Was mich noch interessieren würde ist, wie du wertschätzende Kommunikation im Alltag mit deinen Kindern umsetzt? Hast du irgendwelche Tipps bzw. Kniffe die auf die du besonders achtest?
Nochmals danke für deinen Artikel liebe Anett
Hab einen schönen Tag
Michael Taube
Lieber Michael,
danke für deine Zeit und deinen wertvollen Kommentar. Innehalten ist tatsächlich eine wesentliche Fähigkeit, die es hier braucht und ein perfekter erster Schritt. Und dann braucht es die anderen Schritte vielleicht gar nicht, das stimmt 😊.
In der Praxis ist das manchmal nicht so einfach. Gerade mit (den eigenen) Kindern. Zumindest ist das meine Erfahrung. Hier ist es noch mal besonders wichtig, den eigenen Stress und die eigenen Emotionen gut regulieren zu können.
Gelingt auch nicht immer. Mir persönlich ist es deswegen sehr wichtig, meinen Kindern (Grundschulalter) immer wieder zu vermitteln, dass Reaktionen anderer Menschen (inkl. meiner) erst mal nichts mit ihnen zu tun haben. Dass das Verhalten meiner Kinder (nicht ihr Sein!) eine Reaktion in anderen Menschen auslösen kann, aber dass eben genau dieses Verhalten nicht der eigentliche Grund für diese Reaktion ist.
Wenn ich z.B. mal lauter werde, sind nicht die Kinder dran Schuld. Dann ist das meine eigene Entscheidung, so zu reagieren (wenn auch nicht ganz bewusst in dem Moment). Ich hätte auf dasselbe Verhalten ja auch anders, ruhiger, reagieren können. Grund für meine Reaktion ist dann mein Stress (und das, was dahinter liegt) und nicht das Verhalten der Kinder. Das war nur Auslöser. Der Grund war vorher schon in irgendeiner Form da, nur eben vielleicht noch nicht sichtbar.
Das heißt, wir üben das Unterscheiden von Ursache und Auslöser. Und auch das Trennen von Sein und Verhalten (ich kann z.B. jemanden lieb haben und gleichzeitig blöd finden, was er oder sie tut). Fehler verzeihen steht hier auch ganz weit oben – vor allem sich selbst.
Vielleicht ist der wichtigste Kniff der wertschätzende Umgang mit sich selbst. Menschlich sein (mit sich selbst). Und das – so gut, wie es gerade geht – vorzuleben. Miteinander im Gespräch zu bleiben. Zu Reflektieren. Denn wir alle lernen ständig dazu. Jeder hat seine Päckchen zu tragen. Niemand muss perfekt sein oder sich perfekt verhalten.
Deine Frage hat ganz schön was bewegt in mir. Ganz lieben Dank dafür. Die werde ich mal noch weiter wirken lassen.
Alles Liebe
Anett 😊